Autor:in: Arnd Kolb

Datum: 3 Februar, 2023

Kategorie: Neuigkeiten


Es gibt Tage, da ändert sich nichts. Und es gibt Tage, an denen ändert sich alles. Der 24. Februar 2022 ist so ein Tag. Russland überfällt die Ukraine. Der Krieg ist wieder nach Europa zurückgekehrt. Von nun an, ist vieles anderes, vor allem für die ukrainische Bevölkerung. Viele fliehen, davon mehr als eine Million nach Deutschland. Musikwelten NRW nimmt den Jahrestag des Kriegsbeginns zum Anlass, um in der aktuellen und kommenden Podcast-Folge, die Situation einzelner geflohener ukrainischer Kunstschaffender zu beleuchten. Heute in unserem Podcast und Blogartikel im Fokus: Lidiia Basova.

Hier geht es zu unserer neuen Folge mit Lidiia Basova und unserer Podcasterin Tuba Tunçak

Lidiia Basova Künstlerleben ist ereignisreich. Die in der Ukraine geborene Opernsängerin kann Ausbildungsstationen in Charkiw und Odessa, Engagements in Peking und zuletzt eine Anstellung in der Philharmonie der ukrainischen Stadt Chmelnyzkyj vorweisen. Der Kriegsausbruch verändert vieles, auch für die Sopranistin. Sie flieht mit ihrer Mutter nach Deutschland. Die deutsche Sprache ist ihr im polyglotten Alltag der Opernwelt vertraut. Dort ist sie Teil der gängigen Opernsprachen, wie Italienisch, Spanisch oder Englisch. Allerdings ist es ein großer Unterschied deutsch auf der Bühne zu singen oder im Alltag zu sprechen.

„Am Anfang hatte ich Angst, Deutsch zu sprechen. Ich habe es in der Ukraine gelernt, aber alles vergessen. Und ich weiß, ich mache auch jetzt viel falsch, aber ich muss sprechen, um besser zu werden.“

Lidiia Basova

Geholfen hat ihr die freundliche Aufnahme in einer deutschen Familie, die sie sehr unterstütze oder die Teilnahme an einem „Gastfreundschaftscafé“. Beim Erlernen der deutschen Sprache halfen Kurse und nicht zuletzt eine wohlvertraute Kunst: das Singen im Chor. Lidiia Basova konnte den anderen Chormitgliedern einiges von den Lippen ablesen:

„Im Mai begann ich im Chor zu singen. Für mich ist es eine gute Möglichkeit zu sprechen und die richtige Aussprache zu hören, wenn sie singen. Jetzt verstehe ich Deutsch mehr und mehr, auch worüber ich singe.“ – Lidiia Basova

Fluchterfahrungen verarbeiten, im Alltag ankommen, seinen eigenen Weg zu gehen, das fällt vielen Geflüchteten schwer. Sie müssen lernen, sich in neuen Strukturen zurechtzufinden, und neue Netzwerke, außerhalb ihres vertrauten Kulturraums, aufzubauen. Lidiia Basova hat diese Hindernisse überwunden.

„Als ich nach Deutschland kam, wusste ich nicht, wo wohne ich, was mache ich, wo arbeite ich. Inzwischen konnte ich meine kreative Arbeit fortsetzen, auftreten und viele neue Kontakte schließen.“

Lidiia Basova

Die Ukrainerin ist heute auf vielfältige Weise in die lokale Kunstszene Nordrhein-Westfalens eingebunden. So unterstützt sie die musikalische Arbeit an der Mathilde-Anneke-Schule in Sprockhövel oder arbeitet als Trainerin des Kinderchors des Kirchenkreis Hattingen-Witten an der Stimmbildung der jungen Sängerinnen und Sänger. Doch nicht nur als Pädagogin hat sie in Deutschland Fuß gefasst. Sie gibt weiterhin Konzerte als Sängerin, etwa bei einem deutsch-ukrainischen Liederabend, wo sie deutsche Klassiker und Musik ihrer Heimat präsentierte.

Besondere Freude hat Basova das Mitspielen beim Musiktheaterstück „Ithaka“ in Köln gemacht. Vielleicht lag es daran, dass Menschen mit Fluchterfahrung die Geschichte von Odysseus und seine lange Heimreise nach Ithaka interpretierten oder aufgrund ganz anderer, handfester Erfahrungen. Elissavet Hasse, die das Stück entwarf und inszenierte, war es wichtig, den Künstler:innen nicht nur Normalität zu vermitteln, sondern auch ganz praktisches Wissen:

„Was ist eine Steuerklasse, wie schreibe ich eine Rechnung, was muss ich hier machen, wenn ich hier arbeite …“ – Elissavet Hasse

Es ist ein Kaleidoskop an Erfahrungen, die Lidiia Basova in den letzten Monaten erlebte. Erst kürzlich kam ein weiteres Kapitel dazu: Sie hat ein Stipendium des Deutschen Musikrat für geflüchtete ukrainische Musikschaffende erhalten. Das Geld ist dafür da, sie in ihrer künstlerischen Arbeit zu unterstützen. Die Opernsängerin hat sich in ihrem neuen Leben eingerichtet, auch wenn der Krieg in der Ukraine und das Schicksal von Familie und Freunden immer präsent ist. Ein neues Leben, irgendwo zwischen den Polen Angst, Glück und Hoffnung und persönlicher Courage.


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