Autor:in: Arnd Kolb

Datum: 17 März, 2023

Kategorie: Profile


Was für eine Frau! Maryam Akhondy ist jemand, der beeindruckt: mit ihrer Vita, ihrer künstlerischen Vielfalt und ihrer kraftvollen Energie, mit der sie scheinbar mühelos, die unterschiedlichsten Musikprojekte unter einen Hut bringt. Akhondy gilt als eine der bekanntesten Repräsentant:innen traditioneller persischer Musik. Das alleine reicht nicht aus, um ihren musikalischen Kosmos abzubilden. Sie schafft es auf eindrückliche Weise, die Musik des Irans in neuen, ungewöhnlichen Formen zu präsentieren. Nicht zuletzt deshalb erhielt Maryam Akhondy als erste Frau den WDR Jazzpreis 2023 in der Kategorie Musikkulturen. In unserer neuen Podcast-Folge ist sie zu Gast bei unserer Podcasterin Tuba Tunçak.

Maryam Akhondys Musik ist gespielte Vielfalt, die in ihrer Bandbreite mehrere Klangwelten in sich vereinigt: klassische iranische und europäische Stile vermischen sich mit amerikanischem Jazz, französischem Chanson, persischen Volksliedern oder afrikanischen und indischen Weisen – ein unerhörter Wohlklang, in verblüffender Form. Der WDR Jazzpreis 2023 in der Kategorie Musikkulturen ist deshalb auch als Wertschätzung, ihrer vielen musikalischen Aktivitäten zu verstehen. Aber Maryam Akhondy wäre nicht Maryam Akhondy, wenn sich ihr Engagement allein auf die reine Kunst festmachen ließe. Der Preis ist deshalb zugleich eine Würdigung ihres Einsatzes für die Frauen im Iran. Die iranische Ethnomusikwissenschaftlerin Yalda Yazdani zollt diesem Einsatz in ihren eigenen Worten Achtung:

„Die Auszeichnung für Maryam Akhondy ist eine große Ehre für alle Iraner:innen, insbesondere für die in Deutschland lebenden iranischen Künstlerinnen, weil wir sehen konnten, dass, wenn man sich engagiert, dann wird man auch von anderen Kulturkreisen anerkannt und gehört.“

Yalda Yazdani

Der Kampf um die iranischen Frauenrechte bewegt und motiviert Maryam Akhondy zugleich, seit die öffentlichen Auftritte von Sängerinnen im Iran nach der „Islamischen Revolution“ 1979 verboten wurden. Sie, die im Iran Theaterwissenschaften und Gesang studiert hatte, litt darunter und wanderte deshalb Mitte der 1980er Jahre nach Deutschland aus. In ihrem neuen Zuhause Köln wagte sie einen künstlerischen Neuanfang. Der gelang: Sie sang als Frontfrau mehrere Jahre in der international renommierten „Schäl Sick Brass Band“, leitete mehrere klassische iranische Ensembles, produzierte CDs und sogar ein iranisches Musical und sang als Gastsängerin auf der ganzen Welt mit verschiedenen Musikgruppen zusammen. Aktuelle Projekte sind das Ensemble „Barbad“, die Gruppe „Paaz“ und ein besonderer Frauenchor: „Banu“.

„Banu heißt auf Persisch ‚vornehme Dame‘. Und so heißt auch meine Gruppe, denn es sind wirklich vornehme Damen, die noch niemals auf der Bühne standen, die niemals auf die Bühne durften, die niemals ihre Kultur zeigen durften.“

Maryam Akhondy

„Banu“ ist eine Reise in die verschiedenen Regionen und Kulturen des Iran, die einen Einblick in die Gesangskultur und das Selbstbewusstsein der persischen Frauen ermöglicht. Der Chor bringt iranische Frauen aus dem ganzen Land mit ihrer eigenen regionalen Prägung zusammen. Dass die Mitglieder des Chors statt professionellen Sängerinnen normale Menschen sind, ist pure Absicht:

„Dieses Mal ging es nicht um die Kunst, sondern um die Kultur, um die Menschen. Um die Stimmen der iranischen Frauen. […] Und jede bringt ihre eigene Kultur, Traditionen, Dialekte mit. Ich freue mich deshalb, dass ich hier einen kleinen Iran in Deutschland habe.“ Maryam Akhondy

Für Maryam Akhondy ist der Chor eine Möglichkeit, auch ein politisches Zeichen zu setzen. Den Sängerinnen von „Banu“ wird, stellvertretend für alle Frauen, die im Iran ihre Stimme verloren haben, ihre Stimme zurückzugeben. Es sind wichtige Erfolge in einer Zeit, in der die Proteste im Iran ihre künstlerische Arbeit beeinflussen. Die Proteste machen Maryam Akhondy traurig und wütend. Hinzu kommt das schlimme Gefühl, hier in Sicherheit zu leben, während andere den gefährlichen Widerstand weiterhin auf die iranischen Straßen tragen. In dieser schwierigen Situation findet sie Halt in ihrer Kunst:

„Jeder verarbeitet es auf seine Weise, mit seinen eigenen Mitteln. Mir hilft meine Musik. Und gerade bei meinem Chor, bei meinen Frauen ist Musik ein Hilfsmittel, dass wir uns gegenseitig austauschen, erzählen und ein bisschen erleichterter nach Hause gehen.“

Maryam Akhondy