Stabwechsel im Landesmusikrat: Am 19. August 2023 wurde Prof. Dr. Christine Siegert zur neuen Präsidentin des Landesmusikrats Nordrhein-Westfalen gewählt. Es ist ein Meilenstein in der Geschichte des Rates. Zum ersten Mal steht eine Frau an der Spitze des größten Musikverbandes von NRW. Anlass genug, um die engagierte Musikwissenschaftlerin nach ihren bisherigen Erfahrungen, Wünschen und Visionen für die kommende Amtszeit zu befragen. In unserer aktuellen Podcast-Folge hat Tuba Tunçak Prof. Dr. Christine Siegert interviewt.

Musik in all ihrer kulturellen Vielfalt abzubilden, zu pflegen und zu fördern – Das Leitbild des Landesmusikrats Nordrhein-Westfalen passt ganz gut zu bisherigen Vita von Christine Siegert. Sie hat durch ihr Studium und ihre bisherigen beruflichen Stationen, unterschiedliche Musikwelten kennengelernt, ohne ihren musikalischen Enthusiasmus zu verlieren.

„Wann immer Musik mit Herz und Begeisterung gemacht wird, überträgt sich das. Insofern gibt es ganz viel, dass mich beeindruckt.“

Christine Siegert

Nicht zuletzt ihre aktuelle Position als Leiterin des Beethoven-Archivs und des Verlags Beethoven-Haus in Bonn prädestinierte sie für die Stelle als Präsidentin. Dort erlangte sie landesweite Anerkennung für ihre tiefgehende Expertise im Bereich der klassischen Musik und ihren unermüdlichen Einsatz für die Förderung der musikalischen Kultur. Dass zum ersten Mal eine Frau ins Amt des Landesmusikrats gewählt wurde, findet sie gut. Letztlich seien jedoch noch weitere Gründe wichtig:

„Ich glaube, dass ich auch gewählt wurde, da ich als Musikwissenschaftlerin immer versucht habe, das Musikleben im Blick zu nehmen. […] Und dass ich eine neutrale Position habe, d.h. es gibt im Landesmusikrat verschiedene Richtungen, die zusammengeführt werden müssen. Und ich finde wichtig, dass die Musik in NRW mit möglichst einer Stimme spricht.“

Christine Siegert

Unter der Vielzahl von Aufgaben, die auf Christine Siegert zukommen, hat sie für sich den Anspruch formuliert, Diversität eine erhöhte Priorität einzuräumen. Die Musikszene in der Region besteht seit jeher aus Menschen unterschiedlicher kultureller Hintergründe, Altersgruppen, Geschlechter und Lebensweisen. Nun gilt es, die Arbeit des Landesmusikrats auf die neuen Herausforderungen anzupassen. Etwa auf die Tatsache, dass verstärkt geflüchtete Menschen nach Nordrhein-Westfalen kommen.

„Es ist ganz wichtig, dass wir unsere Musikerlebnisse, unsere kulturellen Hintergründe austauschen. Und da spielt Musik eine ganz tolle Rolle, weil sie doch relativ leicht zugänglich ist. Da kann man noch ganz viel in Zukunft machen, obwohl ich beeindruckt bin, wie viele kulturelle Projekte es bereits gibt.“

Christine Siegert

Dabei ist ihr bewusst, dass Diversität viele Facetten beinhaltet, die über die Dimension Herkunft und Einwanderungsgeschichte hinausreichen. Dabei gilt es, unterschiedlichen Aufgaben und Interessenslagen gerecht zu werden, wie sie sich z.B. in Bezug auf städtische Ballungsräume und ländliche Regionen oder in Form unterschiedlicher Angebote für unterschiedliche Altersgruppen widerspiegeln.

„Ich finde Diversität auch wichtig in Bezug Stadt-Land. Wir müssen in NRW immer aufpassen, dass wir nicht nur die großen Zentren haben, sondern auch große ländliche Gegenden, die vom Musikleben ganz anders funktionieren. Und wir müssen auch Menschen jeden Alters ansprechen. Von den kleinen Kindern, bis ins hohe Alter. Musik ist etwas, was das Leben bereichert und verschönert. Und da sind wir den Menschen schuldig, Angebote für alle zu machen.“ Christine Siegert

Aus dieser Konstellation heraus gibt es unterschiedliche Schnittmengen, die es für den Landesmusikrat notwendig machen, zusätzliche Angebote auf Augenhöhe zu entwickeln, die beispielsweise älteren Menschen mit Einwanderungsgeschichte kulturelle Teilhabe ermöglicht. Diese und ähnliche Projekte sind wichtig, um kulturelle Vielfalt stärker abzubilden. Dass dies eine schwierige, aber lohnende Aufgabe sei, davon ist Christine Siegert überzeugt.

„Ich halte es für einen wichtigen Baustein, für das Zusammenleben aller Menschen in NRW. Und es ist wichtig, alle Communities mit einzubeziehen, aber im nächsten Schritt sie auch zusammenzuführen […] dass ein Austausch entsteht und alle sich bereichert fühlen.“

Christine Siegert

Es sind viele Dinge, die der neuen Präsidentin am Herzen liegen. Die Gleichstellung von Frauen in unserer Gesellschaft, aber auch die Frage, wie man Menschen animiert, sich selbst stärker in die Arbeit des Landesmusikrats einzubringen. Wie sie diese Ansprüche umsetzt, werden die kommenden Monate und Jahre weisen. Was aber jetzt schon klar ist: Dem Landesmusikrat steht eine empathische Präsidentin vor, die sich vor keinem kommunikativen Austausch scheut:

„Mich hat es immer enorm bereichert, sich auszutauschen, sowohl mit Studierenden, als auch mit anderen Menschen im Musikleben und auch sonst. Insofern ist es immer ein Geben und Nehmen und nie eine Einbahnstraße.“ Christine Siegert