Datum: 29 April, 2024

Kategorie: Neuigkeiten


Dieser Artikel ist der erste in einer Reihe von Beiträgen von Masterstudierenden der Universität zu Köln. Von kultureller Aneignung über Orientalismus bis hin zu Debatten über die globale Musikindustrie – diese Studierenden erwecken akademische Theorien mit Geschichten zum Leben, die ihre Wurzeln in NRW haben.


Kulturelle Aneignung und struktureller Rassismus sind umstrittene Themen, die seit einigen Jahren in der Gesellschaft scharf diskutiert werden. Was hat das mit Karneval, dem eigentlich so bunten Fest, zu tun? 

Autorin: Tatjana Thybussek

2019 war ein typischer Shitstorm, welche wir nun jedes Jahr zum Karneval erwarten. Eine Elbkinder-Kita in Hamburg hatte 2019 an die Eltern appelliert, sich bei der Kostümwahl Gedanken zu machen und besonders stereotypische Kostüme (beispielsweise Scheich- und „Indianer“) zu meiden. Die Schlagzeilen haben von einem Verbot für bestimmte Kostüme gesprochen (z. B. Focus: Politisch korrekter Fasching und Bild: Um niemanden zu diskriminieren). Ganz Deutschland hat sich an der Diskussion beteiligt. „Aber welchem amerikanischen Ureinwohner tut es weh, wenn ein Kind in Ottensen mit Federschmuck Fasching feiert?“ (Focus). Die ‚Native American Association of Germany‘ antwortet auf ihrer Seite darauf, dass die falsche Darstellung der Natives negative Folgen haben kann: „Die Geschichte, die hinter unseren Insignien steht, ist viel mehr als nur etwas, das wir in einem Geschäft kaufen würden. Sie sind mit unseren Religionen und Kulturen eng verbunden“ (Observer). Also ja, es gibt Native Americans, denen es weh tut, wenn ein Kita-Kind in Hamburg Federschmuck trägt. Das heißt, dass kulturelle Aneignung ein Aneignen von Elementen einer marginalisierten Kultur durch die Dominanzkultur darstellt. So definiert Richard A. Rogers die kulturelle Ausbeutung, die einen wichtigen Bestandteil der problematischen Seite von kultureller Aneignung repräsentiert. 

Diese Debatte betrifft mehr als das Tragen von Kostümen. Es geht um ein Rassismus-Problem.  Der Kölner Karneval, obwohl er immer von seiner Vielfalt schwärmt, schafft es nicht, die Vielfalt der  Stadtbevölkerung zu widerspiegeln. Die Karnevalsband Planschemalöör, hat sich gegründet, um diese Grenzen in Karneval zu sprengen. Sänger Juri Rother ist in Köln-Porz zu einem aus Panama stammenden Familie geboren. Er singt im Lied ‘Heimat’: “För de Schwatze zo wieß/För de Wieße zo schwatz” (Für die Schwarzen zu weiß/Für die Weißen zu schwarz). Rother erzählt: „Dass das für die Augen und Ohren eine ganz schöne Diskrepanz wär, wenn ich mal auf Kölsch singen würde“ (Kölner Stadt Anzeiger: Talk mit K). 

Der Band ist es wichtig sich gegen Rassismus einzusetzen: “Es gibt auch Momente, wo ich denke, sorry, ich kann gerade nicht mehr singen, ‘wir sind bunt, wir stehen zusammen’, weil wir das nicht tun” (Kölner Stadt Anzeiger). Rother war Ende 2022 rassistisch bedroht worden, nachdem die Band auf einen Auftritt bei dem Karnevalsverein “Ihrefelder Zigeuner” verzichtet hatte. Er hat erklärt, dass er selbst oftmals als “Zigeuner” beschimpft worden war. Kurz danach hing ein Zettel an seiner Haustür, auf dem er als “Zigeuner” bedroht wurde. 

Als “Zigeuner” beschimpft werden. Für Juri Rother – zurecht – nicht ok. Aber wie geht man damit um, wenn Menschen aus der Community selbst den Begriff oder die Darstellung annehmen? Für Markus Reinhardt und sein Ensemble ist der Begriff “Zigeuner” bevorzugt, da “Sinti und Roma nur zwei Stämme ” unter viele in der Community sind (Markus Reinhardt Ensemble). 

Es ist ein schmaler Grat für nicht-Betroffene, wenn es um kulturelle Aneignung geht. Auch sie sind nicht immer einer Meinung, aber es gilt immer den Betroffenen zuzuhören. 

Der Karneval in Köln hat immer noch ein Rassismus-Problem. Das drückt sich nicht immer in Bedrohung an BiPOC Musiker:innen aus, wie Rother am eigenen Leib erfahren hat. Kulturelle Aneignung in Form von Kostümwahl gehört zu dem Problem dazu, auch wenn es meistens nicht als Beleidigung gemeint ist. Das ist Jahr für Jahr auf den Sitzungen, auf den Partys und bei den Umzügen in Form von Kostümen zu sehen. Durch den wichtigen Schritt, die betroffene Communities zu hören, kommen wir alle näher dran, dieses Problem zu konfrontieren und aufzuheben.