Der Landesmusikrat NRW hat zum 75-jährigen Jubiläum des Grundgesetzes einen innovativen Songcontest ,,Klingende Grundrechte“ ins Leben gerufen. Musikschaffende waren eingeladen, Textteile des Grundgesetzes zu vertonen und diese kreativen Werke als Video- oder Audioaufnahmen einzureichen. Der Wettbewerb, der für alle musikalischen Genres und Besetzungen offenstand, führte zu einer beeindruckenden Vielfalt an Einsendungen, die eines beweisen: Das Grundgesetzt groovt!
Zum Jubiläum etwas Besonderes: Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist etwas Einmaliges. Es steht für die Werte und Prinzipien, die die deutsche Demokratie und Rechtsstaatlichkeit prägen und garantiert den Schutz der Menschenwürde, Freiheit und Gleichheit. In der Geschichte unseres Landes hat es etwas Vergleichbares nicht gegeben. Nicht zuletzt markiert es seit seiner Einführung 1949 einen fundamentalen Bruch mit den früheren politischen Systemen, insbesondere mit der Diktatur des Nationalsozialismus. Seine Bedeutung für die Kunst und Kultur(-landschaft) in Deutschland ist dabei nicht zu unterschätzen. Nur wenn Kunst frei und unabhängig ist, wächst Vielfalt und Pluralismus und damit eine reichhaltige Kulturlandschaft.
Es gibt also mehr als nur einen Grund, das 75-jährige Jubiläum des Grundgesetzes zu feiern. Der Landesmusikrat NRW, das Literaturhaus Bonn und der Bonner Generalanzeiger haben deswegen einen Text- und Songcontest ins Leben gerufen, um das Grundgesetz „kreativ“ zu würdigen. Der Wettbewerb bot eine Plattform, nicht nur um innovative und vielfältige musikalische Interpretationen zu präsentieren, sondern auch um den Wert des Grundgesetzes für die Musikkultur zu unterstreichen.
„Wir als Landesmusikrat fühlen uns den demokratischen Grundrechten und Pflichten verantwortlich. Und dafür verantwortlich, dass das Gemeinwesen funktioniert. Amateurmusik ist Gemeinwesen pur und das ist etwas, was wir damit in die Welt senden wollten.“
Prof. Dr. Christine Siegert, Präsidentin des Landesmusikrats NRW
Die Frage „Wie klingen Grundrechte?“ stand dabei im Zentrum dieses Wettbewerbs. Wie die Kunstschaffenden sie musikalisch beantwortet haben, wollen wir in unserem aktuellen Podcast vertiefen. MusikerInnen aus verschiedenen Genres beschäftigten sich intensiv mit der gestellten Aufgabe und reichten zahlreiche Kompositionen ein, die sich auf unterschiedlichste Weise mit dem Thema auseinandersetzten.
„Wir wollten einen breiten Blick auf die Grundrechte, auf ganz viele musikalische Arten. Besser hätten wir es uns nicht vorstellen können.“
Eva Luise Roth, Landesmusikrat NRW
Unter den Einsendungen wurden fünf GewinnerInnen ermittelt, die inhaltlich besondere und musikalisch vielfältige Beiträge eingereicht hatten. Ein Überblick:
Volker Schiewer – „Grundgesetz“ (6:24 – 11:40)
Volker Schiewer, Musiker und Schauspieler, interpretierte im nordamerikanischen Bluegrass-Stil seine Sichtweise auf das Grundgesetz. Der ehemalige Berufsschullehrer, der jahrzehntelang die Werte unserer Verfassung im Unterricht vermittelte, konnte beim Komponieren aus seinem reichen Erfahrungsschatz schöpfen. In seinem Musikstück „Grundgesetz“ reflektierte er dabei, dass er dank des Grundgesetzes, die Geschichten von Krieg und Not der Elterngeneration, nicht selbst erleben musste. Deren Erlebnisse fordern uns auf, aktiv für unsere Werte einzutreten.
„Meine Botschaft ist: Demokratie, da muss man sich darum kümmern, da muss man etwas machen. Demokratie ist Verpflichtung für alle.“
Volker Schiewer
„Eine Fee“ – Ewigkeitsklausel (11:40 – 18:36)
Die Künstlerin „Eine Fee“, die sowohl Musikerin als auch angehende Juristin ist, brachte ihre besondere Doppelqualifikation in ihrem Beitrag zum Ausdruck. In ihrem Rap über die Ewigkeitsklausel (Artikel 79 Absatz 3) des Grundgesetzes verband sie juristisches Fachwissen mit musikalischem Talent. Diese innovative Kombination ermöglichte es ihr, den komplexen Gesetzestext auf eine verständliche und zugängliche Weise zu interpretieren. Durch ihren Sprechgesang machte sie die juristischen Inhalte nicht nur erklärbarer, sondern auch auf einer anderen Ebene erlebbar und nachvollziehbar für das Publikum. Was sie am Grundgesetz aus einer juristischen und künstlerischen Sichtweise besonders spannend fand?
,,Was ich einfach sehr spannend finde am Grundgesetz ist diese Vorreiterfunktion im Sinne einer Stabilität einer Verfassung. Also dass man wirklich gesagt hat, wir versuchen jetzt, dass nicht unsere Grundwerte, unsere Grundprinzipien (wie Demokratie zum Beispiel) einfach mal eben so ausgehebelt werden können. Und das dann sprachlich so festzumachen, dass das wirklich nicht einfach mal so geht, finde ich natürlich vom sprachlichen Aspekt her einfach sehr spannend.“
„Eine Fee“
Marcus Scheltinga und Mustafa Zekirow – „Holllow Sphere” (18:36 – 27:50)
Marcus Scheltinga präsentierte eine Komposition, die durch musikalische, technische und sprachliche Überraschungen besticht. Sein Beitrag ist ein kleines Kunstwerk, das den Scheinwerfer dreht: Es wirft ein Schlaglicht auf die Menschen, die Freiheitsrechte erst dann genießen können, wenn sie ihre Heimat verlassen haben. Unterstützt von seinem Freund Mustafa Zekirow, der selbst nach Deutschland geflüchtet ist und das Grundgesetz in Romanes vorträgt, haben sie eine einzigartige elektronische Klangkulisse geschaffen. Ihr Werk verdeutlicht, welche Bedeutung das Grundgesetz für Menschen haben kann, die nicht unter seinem Schutz stehen.
„Die Geschichte, die ich erlebt habe, hat auch mit dem Grundgesetz zu tun. Leider existieren manche Gesetze nur auf dem Papier. Und in diesem Projekt werden sie lebendig.“
Iris Lamouyette, Sängerin und Kabarettistin, hat sich gleich einer Reihe von Artikeln des Grundgesetzes gewidmet, darunter Menschenwürde, Gleichheitsgrundrecht, Meinungsfreiheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung. Mit akzentuiertem Keyboard-Sound und humoristischen Einlagen entwickelte sie einen lebendigen Zugang zur trockenen Materie der Gesetze. Das Besondere an ihrem Beitrag war, dass sie die Artikel nicht nur musikalisch interpretierte, sondern auch kommentierte. Dabei setzte sie sich kritisch mit den Inhalten des Grundgesetzes auseinander und bot so eine einzigartige Mischung aus Musik und Reflexion.
„Ich finde, das Grundgesetz ist gut durchdacht, aber nicht alle Artikel sind perfekt. Wir sind eben Menschen und deswegen glaube ich, kann es eben auch nicht ganz perfekt sein.“
Iris Lamouyette
Kinderchors des Aalto-Theaters Essen – Artikel 1 und 10 (34:20 – 41:45)
Der letzte prämierte Beitrag kam vom Kinderchor des Aalto-Theaters Essen unter der Leitung von Patrick Jaskolka. Der Chor setzte sich mit Artikel 1 (Menschenwürde) und Artikel 10 (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) auseinander. Ihr musikalischer Vortrag war ein schöner Beweis dafür, dass ein ernsthaftes Thema auf witzige und emotionale Weise durch die Kraft menschlicher Stimmen umgesetzt werden kann. Ein gelungenes Erlebnis für die Zuhörer:innen und eine wertvolle Erfahrung für die Chormitglieder, die sich mit den Inhalten des Grundgesetzes beschäftigten. So werden die Werte unserer Verfassung über ein außergewöhnliches Format an die nächste Generation weitergegeben.
„Ich versuche den Kindern nicht nur Musik beizubringen, sondern auch etwas fürs Leben mitzugeben. Und der Wettbewerb war eine tolle Gelegenheit, den Kindern etwas ganz anderes mitzugeben. Ein ernstes Thema auf lustige und witzige Art.“
Patrick Jaskolka
Fotos: Andrea BowinkelmannFotos: Andrea BowinkelmannFotos: Andrea Bowinkelmann
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