Brücken erschließen und verbinden Räume wie Menschen. Sie sind wahre Wunderwerke, Orte des Austausches, des Übergangs. Wo sie fehlen, ist das Trennende spürbar. Das Poesie-Brücken Projekt schließt diese Lücke mit der Wortkunst des Istanbuler Dichters Orhan Veli Kanık, einem der wichtigsten Wegbereiter der modernen türkischen Literatur. Daraus entstand ein einzigartiger Brückenschlag zwischen den Kulturen der Welt: Ein Buch mit Vertonung, Musik, Illustrationen und Videos. Ein multimediales Erlebnis, das auf der Bühne des Essener Katakomben-Theaters sicht- und vor allem emotional fühlbar wurde. Die Projektleiterin von Musikwelten NRW, Rose Campion, stellt uns die Poesie-Brücke in unserer neuen Podcast-Folge vor.

Ungewohnt, kurios und ungemein wertvoll: Orhan Veli Kanık war ein meisterhafter Chronist des flüchtigen Augenblicks und seine Gedichte gesammelte intime Momente des täglichen Lebens. Nicht zuletzt deshalb zählt er bis heute zu den beliebtesten und meistgelesenen Dichtern der Türkei. In Deutschland ist er relativ unbekannt. Die ToL-Akademie und der GAROA-Verlag haben deswegen, unter der Projektleitung der Deutschen Radiopreisträgerin Tuba Tunçak, eine Auswahl seines Schaffens neu übersetzen und auf ungewöhnliche Weise arrangiert. Heraus kam ein unvergleichliches barrierefreies Lese-, Hör- und Sehvergnügen, das alle Beteiligten immer noch begeistert:

Alles greift sehr schön ineinander. Das ist das Tolle an diesem Projekt, das ineinandergreifen und zusammenwirken der verschiedenen Künste.

Annette Maye, Ensemble FisFüz

Der erste Band der Poesie-Brückenreihe ist ein zweisprachiges Multimedia-Buch mit türkischen und deutschen Texten. Ausgewählte Gedichte sind als Videos über einen QR-Code abrufbar. Sie wurden von den professionellen Sprecher:innen Tuba Tunçak (Musikwelten NRW, WDR Cosmo & Maus zum Hören u.a.) und Ralph Erdenberger (WDR5 u.a.) auf Türkisch und Deutsch eingesprochen und mit den virtuosen Musikstücken des renommierten Ensembles FisFüz vertont. Der Grafiker Alp Kale hat jede einzelne Seite auf wunderschöne Weise bebildert, der Künstler H.Özgür Beytaş die Videos meisterhaft inszeniert.

Das Musik und Gedichte, Videos und Inszenierung nicht nur im Buch, sondern auch auf der Bühne funktionieren, offenbarte sich im Rahmen einer Live-Veranstaltung im Essener Katakomben-Theater. Der Verein zur Förderung der zeitgemäßen Lebensweise NRW (ÇYDD) hatte zu einer Benefizveranstaltung eingeladen, um die Bildung von Mädchen im Erdbebengebiet in der Türkei zu unterstützen. Die Kulisse des Theaters schuf eine einladende und intime Atmosphäre, in der Tuba Tunçak und H.Özgür Beytaş Gedichte rezitierten, Lieder sangen und vor allem für ganz viele Emotionen sorgten, die das Publikum begeisterten.

Die Aufführung war Balsam für die Seele. Das Literarische und die Musik waren total im Einklang. Die Atmosphäre sehr harmonisch. […] Die musikalische Untermalung fand ich klasse. Das Ensemble Fisfüz hat Lust auf mehr gemacht.  Es hat sich angefühlt, wie die Vorfreude auf einen Istanbul-Urlaub.

Yasemin Baysal, Zuschauerin

„Das Programm war sehr mitreißend. Man hatte nicht nur etwas für die Ohren, sondern auch etwas für die Augen. […] Und gerade die Kombination von Musik, von Lesung, von den Videos, das ganze Konzept insgesamt, war wirklich ganz toll anzusehen und anzuhören. […] Das war etwas ganz Neues. Es war authentisch.“ Yıldız Mercan, Zuschauerin

„Die musikalischen Poesie-Videos fand ich sehr bewegend und rührend. Fisfüz ist es wirklich gelungen, mit ihrer Musik die Gedichte zu unterstreichen.“ Yeşim Atmaca, Zuschauerin

Eine besonders eindrückliche Facette dieser Aufführung war die Tatsache, dass die Gedichte sowohl auf Deutsch als auch auf Türkisch zu hören waren. Den Zuschauern ermöglichte es, die Nuancen der Gedichte sowohl in ihrer Originalsprache als auch in einer übersetzten Version zu erleben, ganz im Sinne einer Brücke zwischen den Kulturen.

„Für jemand wie mich, der in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, aber den Bezug zur Heimat nie verloren hat, fand ich es sehr schön, die Lesung in türkischer und deutscher Sprache zu hören, weil ich merkte, wie ich auf dieser Kulturbrücke hin und herging, im Kopf und im Herzen hin und her switchte, […] und am Ende des Tages dort rausgegangen bin und gemerkt habe, welcher Reichtum es ist, dass ich beide Sprachen kann und in beiden Sprachen denken und fühlen kann.“ Yasemin Baysal, Zuschauerin

Den Brückengedanken hat auch einer der Hauptpersonen des Abends, H.Özgür Beytaş verinnerlicht. Für ihn war der Abend ein wunderbares Beispiel dafür, wie Kunst Barrieren überwinden und eine gemeinsame Basis für den Austausch schaffen können. Ein ästhetisch-metaphorischer Wert, der den architektonischen Wert einer Brücke noch überragt.

Ich habe die komponierten Gedichte von Orhan Veli […] auf meine Art und Weise arrangiert und gesungen, um Brücken zu bauen. Und genau das war es, was wir zusammen mit meiner Partnerin Tuba auf der Bühne gemacht haben. Mit der Hilfe von Musik und Poesie Brücken zwischen den Kulturen zu bauen.

H.Özgür Beytaş, Musiker, Filmemacher